Mietenwahnsinn stoppen - unsere wohnungspolitische Strategie
Foto: Rasande Tyskar
Mit 13 Stadtratsanträgen haben wir 2019 gezeigt, wie Erlangen gegen den Mietwahnsinn
vorgehen kann. Es gibt Alternativen zum Wohnungsbau durch private Investoren.
Die Diskussion darüber ist überfällig.
Wohnen ist Menschenrecht - aber in Erlangen herrscht wie in vielen Städten der Mietwahnsinn! Bauträger und "Immobilienentwickler" verdienen sich dumm und dämlich mit überteuerten Neubauten oder überteuert weiterverkauften Bestandswohnungen.
"Investoren" - auf der Suche nach profitabler Geldanlage - die diese überteuerten Wohnungen erwerben, würden mit Mieten, die sich normale Lohnabhängige leisten können, Verlust machen. Also "müssen" sie mittelfristig die nur normal zahlungskräftige Bevölkerung gegen gut verdienende Mieter oder Käufer austauschen. "Aufwertung" oder "Gentrifizierung" nennt man das. Das kommt daher, dass Boden und Wohnungen eine Ware auf einem "freien", also kapitalistischen Markt sind.
Entzieht man den Boden und die Wohnungen dem Markt, müssen keine Profite mehr gemacht werden, sondern man baut, damit Menschen wohnen können. Staatlicher, städtischer und genossenschaftlicher Wohnungsbau haben in der Vergangenheit bewiesen, dass das geht.
"Aufwertung" oder "Gentrifizierung" ist in Erlangen einfach: Vermieter finden unter den 60.000 meist weniger freiwilligen Einpendlern immer Jemanden, der besser verdient, als der aktuelle Mieter. Immer mehr Arbeits- und Studienplätze sorgen zudem für ständig steigenden Wohnungsbedarf und verschärfen die Wohnungsnot.
Bürgerentscheid zwingt zum Umdenken
Genau deshalb sagen wir: Erlangen hat die Grenzen des Wachstums erreicht. Mehr Arbeitsplätze und mehr Uni gehen in Erlangen nicht mehr, weder ökologisch, noch sozial. Die Erlanger BürgerInnen haben mit deutlicher Mehrheit das neue Baugebiet "West-III" abgelehnt. Damit ist der Stadt der Weg versperrt, die Grenzen des Wachstums durch Landverbrauch zu verschieben. Das kann man gut oder schlecht finden, Tatsache ist aber: Der Entscheid erzwingt einen Kurswechsel der Stadt in der Wohnungspolitik.
Wohnen statt mehr Gewerbe und Uni
Wohnen muss Vorrang vor Uni und Gewerbe bekommen, anstatt wertvolle Flächen z.B. für immer mehr Autohäuser zu verschwenden. Auf Industriebrachen oder verfügbaren Teilen des Siemens-Campus müssen Wohnungen gebaut werden - und zwar günstige Wohnungen. Notfalls fänden wir das Mittel der Enteignung hier gerechtfertigt, um dieses Ziel zu erreichen. Beim Neubau geht es nicht um die blanke Zahl der Wohnungen, es fehlt BEZAHLBARER Wohnraum. Wir brauchen keine Studentenappartements mit 20 qm für 150.000 Euro!
Deshalb müssen auf den wenigen Flächen, die sich noch guten Gewissens für die Bebauung mit Neubauten eignen, dauerhaft günstige Wohnungen geschaffen werden. Das ist aber nur möglich, wenn diese in öffentlicher oder gemeinnütziger Hand sind und bleiben - wie die aktuelle Erfahrung mit der GBW zeigt: Diese "Heuschrecke" erhöht sogar die Mieten von frisch gebauten Sozialwohnungen. Zudem begrenzt ein aktuelles Urteil die Sozialbindung von privat errichteten Wohnung - sogar rückwirkend.
Kampf um die Erhaltung günstiger Bestandswohnungen aufnehmen
Vor allem aber muss die Stadt endlich den Kampf um die Erhaltung günstiger Bestandswohnungen aufnehmen. Wir müssen profitgierigen großen Vermietern wie der GBW alle verfügbaren Daumenschrauben anlegen - vom Planungsrecht bis zum Vorkaufsrecht. Erlangen darf kein gutes Pflaster für Bodenspekulanten und Miethaie sein. Die Stadt muss alle Mittel nutzen, um Mieterhöhungen, Teuer-Sanieren, Umwandlung, Leerstand, Verfallen lassen etc. zu verhindern.
So steht es - richtigerweise - auch im Erlanger SPD-Programm (von 2014): Um den Erhalt der vorhandenen Wohnungen insbesondere in der Innenstadt zu sichern und die Wohnnutzung auszuweiten, müssen daher alle zur Verfügung stehenden planerischen und rechtlichen Instrumente ausgeschöpft werden. Allerdings hat sich die Stadtregierung bisher auf den Neubau konzentriert.
Die Politik der BRD hat seit 1982 durch Privatisierung, Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit, kapitalfreundliches Bodenrecht, Mietrechts-"reformen" etc. die heutigen Wohnungsprobleme wesentlich verursacht. Die Stadt kann nur begrenzt gegensteuern.
Wenn eine Stadt aber zum Konflikt mit den großen Haus- und Grundbesitzern bereit ist, kann sie für die Menschen deutlich mehr erreichen, als Erlangen das zur Zeit tut.
Andere Städte zeigen, wie das geht, und Erlangen sollte von ihnen lernen: Deshalb haben wir solche Beispiele zusammen getragen, und zu einer Reihe von Stadtratsanträgen verarbeitet.
Unsere Anträge gegen den Mietwahnsinn
Kampf um bezahlbare Bestandswohnungen
Konsequentes Vorgehen gegen Mietpreisüberhöhung nach § 5 WiStG
Die Stadt kann Bußgelder verhängen, wenn die Miete mehr als etwa 20%
der ortsübliche Vergleichsmiete kostet - so kann sie gegen mieterfeindliche
Geschäftsmodelle vorgehen. Die Ermittlungen sind aufwendig, aber das sollte es
der Stadt wert sein.
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Und so hat der Ausschuss
abgestimmt.
Quintessenz: Die Stadt wird nicht von sich aus tätig werden, es müssen die
überhöhten Mieten angezeigt werden. Auch Stadtrat Winkler (GL) forderte, dass da
mehr gehen muss. So werden also engagierte MieterInnen systematisch überhöhte
Mieten sammeln und anzeigen müssen, da die Stadtverwaltung das nicht tun will.
Mietspiegel: Verfälschung durch illegal hohe Mieten ausschließen
Wir lehnen es ab, dass Vermieter sich bei Mieterhöhungen auf illegal hohe
Mieten berufen können. Daher dürfen diese auch nicht in den Mietspiegel
eingehen. "Zu niedrige" Mieten gibt es dagegen nicht, denn im Rahmen der
Sozialpflichtigkeit des Eigentums herrscht Vertragsfreiheit.
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Der Oberbürgermeister der Stadt München will jetzt einen "Gegenmietspiegel"
erstellen lassen, in dem auch alte Mietverträge berücksichtigt werden, siehe
Bericht in der SZ
Zweckentfremdungsverordnung nach Münchner und Berliner Vorbild
Wohnungen leer stehen lassen ist asozial und
verdient keinen Schutz, siehe bayerische Verfassung, Art. 158:
"Offenbarer Missbrauch des Eigentums".
Gleiches gilt für die Umwandlung von Mietwohnungen in "Ferienwohnungen".
Hier hilft ein Urteil: airbnb muss nach einem von der Stadt München erstrittenen
Urteil die Vermieterdaten liefern. Jede nicht umgewandelte Wohnung hilft
(frei nach Herrn Baureferent Weber).
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Ordnungsrechtliche Beschlagnahme leerstehender oder zwangsgeräumter Wohnungen zur Abwendung von Obdachlosigkeit
Es ist Aufgabe der Stadt, Obdachlosigkeit zu verhindern.
Wenn es nicht anders geht, darf sie nach dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz
leer stehende oder zwangsgeräumte Wohnungen - zumindest eine Zeit lang - beschlagnahmen.
Der Vermieter erhält eine Entschädigung.
Soviel Sozialismus muss sein in einer Stadt, die einen
Platz nach dem Revolutionär Kurt Eisner benennt.
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Vorkaufsrecht zur Mietbegrenzung nutzen, nach Münchner und Berliner Vorbild
Wird ein Wohnhaus verkauft, nimmt die Stadt ein vorhandenes Vorkaufsrecht wahr,
das Haus kann dann an die GeWoBau, eine Baugenossenschaft oder eine Baugruppe
verkauft werden. Die Käufer werden per Grundbuch zur Mietbegrenzung
verpflichtet.
Oft unterschreibt der Käufer aber auch eine sogenannte "Abwendungsvereinbarung" zur
Mietbegrenzung, so dass das Vorkaufsrecht gar nicht ausgeübt werden muss.
So kann die Stadt mit überschaubarem Kapitaleinsatz viel zur Mietbegrenzung tun.
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Flächendeckende Milieuschutzsatzungen nach Münchner Vorbild
Durch Milieuschutzsatzungen wird teuer "Sanieren" deutlich komplizierter
und die Stadt bekommt ein Vorkaufsrecht (s.o.)
Diese Satzungen helfen nicht gegen Alles, aber sie sind ein wichtiger Baustein
im Kampf um die Erhaltung bezahlbarer Bestandswohnungen.
Erlangen hat - auf unseren Antrag hin - 2014 eine Milieuschutzsatzung bei
den GBW-Wohnungen aufgestellt, setzt diese aber nicht konsequent um.
Wäre die Innenstadt ein Milieuschutzgebiet, hätte die Stadt für das alte
Landratsamt ein Vorkaufsrecht geltend machen können.
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Solidarität mit den Opfern des Wohnungsmarktes
Kostenlose MieterInnenberatung für Menschen mit wenig Einkommen
Wir fordern offene und kostenlose Mieterberatungsstellen in allen Stadtteilen.
InhaberInnen des Erlangen- Pass sollen durch Kooperationsverträge
mit Mieter*innenverbänden kostenlosen Rechtsschutz bekommen.
Wenn sich durch diese Beratung mehr Mieter*innen gegen Mieterhöhungen wehren,
dämpft das auch den Mietanstieg.
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Jährliche Erhöhung der dem Mieter erlaubten Hartz-4 Mietobergrenzen um die Inflationsrate
5 Jahre lang haben die sozial benachteiligten BürgerInnen keine Erhöhung
der maximal erstatteten Miete bekommen, obwohl die Mieten laufend ansteigen,
und der Mietspiegel nach 2 Jahren um die Indexwerte (Inflationsrate) angehoben wurde.
Nur eine jährliche Anpassung sichert das Existenzminimum.
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Stadtplanung, Neubau, Verdichtung
Bezahlbare Wohnungen durch Bodenvorratspolitik
Die Stadt soll in großem Umfang bebaute und unbebaute Grundstücke
(auch gewerbliche Immobilien) aufkaufen. Nach dem Vorbild der Stadt Ulm
wird neues "Baurecht" nur geschaffen, wenn die Stadt im Eigentum der
Grundstücke ist, um Spekulation zu unterbinden.
Grundstücke werden nur verkauft, wenn durch Grundbucheintrag die Begrenzung
der Miete und ein Rückkaufrecht der Stadt gesichert ist.
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Umwandlung von untergenutzten Gewerbegebieten in Wohngebiet, Gewinne für die Allgemeinheit abschöpfen
Gewerbebrachen und untergenutzte Gewerbegebiete sollen zu
Wohngebieten werden. Der normalerweise anfallende und später vom
Mieter zu zahlende Spekulationsgewinn soll nach dem Ulmer Modell vermieden werden.
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Lebensqualität und Umwelt dürfen nicht auf der Strecke bleiben
Die Wohnungsnot wird solange zunehmen, als weitere Arbeitskräfte für
Uni und Gewerbe in die Stadt gezogen werden. Daher muss Erlangen
akzeptieren, dass auch die Universität nicht beliebig weiter wachsen kann.
Wir lehnen es ab, Umwelt und Mensch gegeneinander auszuspielen, denn die
Menschen in der Stadt brauchen Grünflächen, brauchen Natur in der Stadt.
Deshalb: Keine weiteren Flächen für Universität oder Gewerbe.
Keine weitere Bebauung am "Exer". Wildwuchs in Gewerbegebieten
(Autohäuser, Logistikunternehmen, Flachbauten) unterbinden.
Strikte Beachtung des Erlanger Grünkonzepts, d.h. keine "Überverdichtung".
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Tausch von Wohnungen samt Alt-Mietvertrag wie in Berlin
Mieter*Innen der GeWobau können ihre Wohnung tauschen und dabei den
Altvertrag der Tauschpartner*in übernehmen, so dass für sie dann jeweils
die alte Miete und die Kündigungsfristen der Tauschpartner*in gilt.
So können Mieter, deren Wohnung zu klein ist, schnell
eine größere Wohnung erhalten - während im Gegenzug ältere Menschen in eine
kleinere Wohnung ziehen und Miete sparen können. Wohnungstausch ist eine
der am schnellsten realisierbaren Maßnahmen gegen Mangel an bezahlbaren
Wohnungen ausreichender Größe.
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Veränderbare Wohnungsgrundrisse und Größen im Neubau vorsehen
Denn der Bedarf an Wohnfläche verändert sich durch die Geburt aber auch den späteren
Auszug von Kindern, Trennung oder Tod von Partner*innen.
Wie beim Wohnungstausch (s.o) kann dadurch auch in Zukunft erreicht werden,
dass Wohnungen besser genutzt werden.
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Quellen und zum Weiterlesen
Fotonachweise
für diese Seite:
Rasande Tyskar. Quelle: www.flickr.com/photos/rasande/41615620275/ Lizenz CC BY-NC 2.0
für die Broschüre:
Rasande Tyskar. Quelle: www.flickr.com/photos/rasande/41615620275/ Lizenz CC BY-NC 2.0
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