Rede der Erlanger Linken zum Haushalt 2019


Für uns ist der Stadtrat nicht nur „Verwaltungsorgan“, sondern lokale Volksvertretung, lokales Parlament. Wir streiten für das volle politische Mandat der WählerInnen und des Stadtrates. Also, dass sich der Stadtrat zu allen politischen Fragen äußern kann. In diesem Sinn ist für uns die Haushaltsdebatte die „Stunde des Parlaments“, in der wir politisch Bilanz ziehen.

Die großen Themen in Erlangen sind: Wohnungsnot und die Grenzen des Wachstums.

Die "Stadt soll wachsen", das hat der OB mehrfach wiederholt. Konsequent wird also weiter auf Teufel komm raus angesiedelt, insbesondere Forschungseinrichtungen. Der Tech-Fak wurden im Jahr 2017 25 Hektar „Perspektivfläche“ in Aussicht gestellt, die Klinik soll wachsen, neue Forschungseinrichtungen sollen entstehen.

Die Wohnungsnot steigt deshalb trotz immer mehr Neubau, Baufirmen und Vermieter verdienen sich „dumm und dämlich“. Private Bauträger bauen Wohnungen, die schlicht zu teuer sind.

Nach 4 Jahren forcierter Nachverdichtungspolitik sind die einfach zu nutzenden Möglichkeiten der Nachverdichtung weitgehend abgegrast. Also musste die Koalition versuchen, in Büchenbach ein großes Stück Ackerland für ein neues Stadtviertel in Anspruch zu nehmen.

Das Tempo des Stadtumbaus und die so nicht gewollte Veränderung dieser Stadt führen zu Unmut. Dazu kommt, dass die neue Regierung bei der Bürgerbeteiligung „Alles besser“ machen wollte, die Latte also sehr hoch gehängt hat. Umso mehr – und mit Recht - fordern die BürgerInnen, über die Entwicklungsziele Erlangens mitzureden und auch mit zu entscheiden. Umso mehr waren sie enttäuscht von einer Mehrheit, die genau diese großem Fragen dem Stadtrat vorbehalten wollte.

Und genau dafür hat die Regierung jetzt die ganz große Klatsche kassiert: Die große Mehrheit der BücherbacherInnen, unterstützt durch einen großen Naturschutzverband und sämtliche Oppositions-fraktionen, bringen das Projekt West III zu Fall, das von der SPD, Grünen und FDP-Regierung gepusht wird.

Für uns ist das deutliche Bürgervotum gegen das neue Baugebiet "West-III" eine Bestätigung unserer Haltung:

Erlangen hat die Grenzen des Wachstums erreicht, mehr Arbeitsplätze und mehr Uni geht in Erlangen nicht mehr, denn jeder neue Arbeitsplatz in Erlangen verschärft die Wohnungsnot.

Der Entscheid erzwingt aber auch einen Kurswechsel in der Wohnungspolitik:

Wohnen muss Vorrang vor Uni und Gewerbe bekommen, anstatt wertvolle Flächen z.B. für überflüssige Autohäuser zu verschwenden.

Auf Industriebrachen oder verfügbare Teile des Siemens-Campus müssen Wohnungen gebaut werden. Dort hätten wir auch kein Problem mit Enteignungen, um günstige Wohnungen bauen zu können. Sozialwohnungen müssen in städtischen oder gemeinnützigem Besitz sein, damit die Mieten dauerhaft günstig bleiben.

Vor Allem muss die Stadt endlich den Kampf um die Erhaltung günstiger Bestandswohnungen aufnehmen. Die regierende "Ampel" muss dafür das Licht auf grün stellen, um profitgierigen großen Vermietern wie der GBW alle verfügbaren Daumenschrauben anzulegen – vom Planungsrecht bis zum Vorkaufsrecht.

Dazu gehören z.B. flächendeckende Milieuschutzsatzungen und das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Städte wie München oder Berlin könnten hier Vorbild sein.

Als Kompass für den Kurswechsel genügt aber vielleicht schon das letzte Wahlprogramm der SPD:

Drei Zitate:

(S.37): „..Flächen für Neubauten in der Stadt weitgehend erschöpft .. – eine Ausweisung weiterer Flächen ist auch ökologisch kaum zu vertreten“. Hätten Sie das beherzigt, Herr Oberbürgermeister, das West-III-Debakel wäre Ihnen erspart geblieben.

(S.38): „Um den Erhalt der vorhandenen Wohnungen insbesondere in der Innenstadt zu sichern und die Wohnnutzung auszuweiten, müssen daher alle zur Verfügung stehenden planerischen und rechtlichen Instrumente ausgeschöpft werden“.

Das SPD Programm zählt hier u.A. auf:

„Die Zweckentfremdungsverordnung“,

„Bebauungspläne für die Innenstadt“,

„(für) alle Geschosswohnungen aus den 50er und 60er Jahren(außer GeWoBau) Erhaltungssatzungen“

Wenn sie das Alles angehen, ist Ihnen unsere Unterstützung sicher.

Unabhängig davon, was wir in Erlangen richtig oder falsch machen gilt aber: Die Wohnungsnot kann nur besiegt werden, wenn wir das Ausbluten der Kleinstädte und den Run in die großen Städte stoppen.

Hier – beim Thema „gleichmäßige Lebensverhältnisse in Bayern“ - ist der Freistaat gefragt, z.B. mit der Frage, wo er die nächsten Max-Planck-Institute ansiedelt, oder welche Universitäten er ausbaut. Aus diesem Stadtrat sitzen ab jetzt ja 2 Parteien – CSU und FWG - auf der Regierungsbank, die das jetzt anpacken können – wir sind gespannt.

Und zu Ende gedacht, müssen unsere Wohnungen der Kapitalverwertung entzogen werden, dafür gibt es viele Modelle, wie es besser geht: städtisch, genossenschaftlich oder gemeinnützig. In Berlin startet ein Volksbegehren, um große Wohnungsgesellschaften zu enteignen, die Mehrheit ist in Umfragen dafür.

Wer sich in einer Stadt daheim fühlt, will seine Stadt wiedererkennen, der hängt am Stadtbild. Nachverdichtung, Abriss und Neubau nehmen aber - so wie heute gebaut wird – der Stadt ihr Gesicht, denn Altbauten und Denkmäler – wie die alte HUPFLA - haben es in Erlangen schwer. Die Universität lässt – trotz Wohnungsnot – ein denkmalgeschütztes Wohnhaus verfallen und genießt dabei offensichtlich Narrenfreiheit, denn für „unsere Universität“ rollt der Stadtrat – genau wie für Siemens – den roten Teppich aus.

Beim Thema „Stadt-Umland-Bahn“ wird es zunehmend konkreter. Unser Verdacht ist, dass sich eine große Mehrheit des Stadtrats an die Trasse „Kosbacher Brücke“ heranrobbt. Hier steht Ärger ins Haus, nicht nur mit unserer kleinen Gruppe, sondern mit wichtigen gesellschaftlichen Gruppen, die die StUB bisher unterstützt haben. Machen sie sich klar: die StUB kann auch scheitern !

Alle Jahre wieder erhöht Erlangen die Fahrpreise – wir führen beim Preis, aber nicht beim Angebot. So wird das nichts mit dem Umstieg vom Auto. Eine Einzelfahrt Erlangen – früher eine Kurzstrecke für €1,70 - kostet heute € 2,40. Bisher galten diese Erhöhungen als „alternativlos“, auch die Grünen haben sich – seit sie mitregieren – diesem vermeintlichen „Sachzwang“ gebeugt.

Doch jetzt kommt endlich Bewegung rein: Unsere alte Forderung, das Wiener Modell, also 1€ pro Tag, ist plötzlich in aller Munde. Grüne, SPD, FWG und Andere überbieten sich in Anträgen.

SPD und GL wollen mit Landesmitteln die Fahrpreise einfrieren und sagen: Wenn Söder „Wiener Modell“ sagt, muss er auch das Geld mitbringen.

Kann man so sehen. Andererseits kann die Stadt – z.B. mit einer höheren Gewerbesteuer – ein Einfrieren der Fahrpreise locker finanzieren. Hier kann rot-grün dem Herr Ministerpräsidenten einmal zeigen, wie man nicht nur redet, sondern auch handelt. Auf gehts !

Nun zu unseren Haushaltsanträgen. Sie wurden fast alle abgelehnt. Das scheint in der regierenden Koalition so vereinbart zu sein. Ein Haushalt, den wir nicht in unserem Sinn ändern können, ist nicht unser Haushalt. Wir werden ihn ablehnen.

Eine Erhöhung der Zuschüsse für Naturschutz um 40.000€ wurde z.B. als "unbegründet" abgelehnt, eine Erhöhung um 10.000€ dann aber beschlossen.

Als Beitrag zum Umweltschutz wollten wir erreichen, dass endlich mehr reparierbare Elektrogeräte vor dem Schrott gerettet werden, dafür sollte die GGFA 200.000€ bekommen.

Der menschliche Umgang mit Erwerbslosen und Armen ist für uns wichtig: Wer von Hartz 4 oder Grundsicherung leben muss, sollte zusätzlich ein "Weihnachtsgeld" von der Stadt bekommen, dafür wollten wir 500.000€. Damit das Amt auch in Fällen helfen kann, die im Gesetz nicht vorgesehen sind, sollten 150.000 € mehr bereitgestellt werden. Wir beantragen dies heute noch einmal.

Wir fordern mehr Geld für das E-Werk, damit dort endlich Tarif gezahlt wird, auch hier wollen wir heute noch einmal eine Abstimmung erzwingen.

Es sollte selbstverständlich sein, aber wir mussten es erst beantragen: Dass die Honorare der DozentInnen in der VHS und Jugendkunstschule mit dem Tarif angehoben werden.

Es ist schon richtig: Es gibt viele Städte, die noch schlechter zahlen, als Erlangen, aber das ist für uns nicht der Maßstab. Vom Honorar muss auch nach Abzug von Kursvorbereitung und Sozialabgaben deutlich mehr als der Mindestlohn rauskommen, Alles Andere ist Ausbeutung, das sagen nicht nur wir, das sagt die Bildungsgewerkschaft GEW !

Frau Pfister hat angekündigt, heute diesem Antrag zuzustimmen. Damit gehen Sie einen Schritt in die richtige Richtung, denn Bildung ist mehr Wert !

Die Gewerbesteuer auf Nürnberger Niveau zu erhöhen, würde 7 Millionen bringen. In einer Metropolregion sollten sich die Städte nicht gegenseitig unterbieten. Mehr Gewerbesteuer bedeutet mehr soziale Gerechtigkeit, weil die starken Schulter mehr tragen können, als die schwachen. Und mit 7 Millionen jedes Jahr mehr kann man z.B. günstige Wohnungen bauen. Der OB hat aufgezeigt, wieviel Geld wir allein in den nächsten Jahren für die Schulen brauchen, Mehreinnahmen wären also sinnvoll. Herr Winkler von den Grünen sagt, die Gewerbesteuer bringt wegen der Konjunktur so viel ein, dass man sie nicht erhöhen muss. Liebe Grüne, werdet ihr euch trauen, in den nächsten Krise die Gewerbesteuer zu erhöhen ? Keynes sagt: „Schulden machen in der Krise, Schulden zurückzahlen in der Hochkonjunktur“. Und dazu brauchen Sie die Einnahmen von denen, die es zahlen können.

Die Stadt kann - mangels Personal - vieles Wichtige nicht mehr erledigen. Der Winterdienst ist am Anschlag, zusätzliche Straßen oder Wege können nicht mehr geräumt werden. Die schnelle Realisierung des Bürgertreffs Büchenbach scheiterte auch an fehlendem Personal. Wie soll die Verwaltung flächendeckende Bebauungspläne aufstellen und umsetzen, um bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, wenn Personal fehlt ? Solche Probleme sind der Preis der neoliberalen Sparideologie, die der CSU aber immer noch nicht weit genug geht. Als Zeichen der Solidarität mit den Vielen, die bei der Stadt engagiert für die BürgerInnen arbeiten, werden wir - wie schon in den Vorjahren – dem Stellenplan zustimmen.

Den Haushalt selbst, den lehnen wir ab – er ist Ausdruck einer Politik, die keine soziale Wende schafft und deshalb nicht die Unsere sein kann.

Johannes Pöhlmann